Strategie

Projekt Cassandra strebt danach, sich mit möglichst vielen Schriftsteller*innen und Leser*innen auf der ganzen Welt zu verbinden. Die Vision: der Aufbau eines weltweiten Netzwerks von Kassandra-Stimmen, um möglichst früh auf sich anbahnende Krisen und Konflikte aufmerksam zu machen. Im Jahr 2019 war Projekt Cassandra Gründungsmitglied des „Parlament des Écrivains de la Mediterranée“ (PEM). Seit der Projektgründung ist Projekt Cassandra zudem regelmäßiger Teilnehmerin der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).

Drei Jahre lang erforschte Projekt Cassandra im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung das prognostische Potential von Literatur in konfliktgefährdeten Regionen. Die Hypothese: Krisen und Konflikte zeichnen sich bereits Jahre vor ihrem gewaltvollen „Ausbruch“ in der Literatur ab. Den meisten Kriegen geht ein „Krieg der Wörter“ voraus. Projekt Cassandra hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand von Literatur- und Rezeptionsanalysen drohende Krisen und Konflikte bereits in ihrer Latenzphase zu erkennen. Literatur als Frühwarnsystem, um nicht von vermeintlich plötzlichen „Zeitenwenden“ überrascht zu werden.

Statement zu KI

Projekt Cassandra will KI und Big Data nicht aus der Welt schaffen – doch ihr Vorteil besteht darin, dass sie nicht nur auf Mustererkennung setzt, sondern sich auf die Wahrnehmung und Deutung komplexer Kontexte und Kommunikationstechniken spezialisiert hat. Mehrdeutigkeiten, Anspielungen, identitätsstiftende Bilder und Motive, Gratwanderungen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, die Aktivierung von kulturellen Erinnerungen und Affekten. All diese Dinge gehören in der Literatur praktisch zur Tagesordnung, spielen sich jedoch gewissermaßen unter der Oberfläche ab.

Literatur ist keine Hellseherei. Projekt Cassandra geht es nicht um die plane Vorhersage von Fakten und Ereignissen, sondern um das Aufzeigen von Potentialen. Es geht um ein „Etwas“, das einer Geschichte vielleicht sogar unbewusst eingeschrieben ist: zum Beispiel eine sich allmählich aufbauende Nervosität und Unsicherheit, soziale Spannungen und Irritationen, subkutane Gefühle der Bedrohung …