Kids ohne Kompass

In unserem heutigen Blogeintrag stellen wir unser ehemaliges Projekt in Zusammenarbeit mit der Liz-Mohn-Stiftung aus dem Jahr 2023 vor. Das Projekt „Kids ohne Kompass“ ist eine Profilbildung der mentalen und emotionalen Verfassung junger Menschen auf der Basis der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur. Gerade junge Menschen brauchen in Zeiten von Polykrisen durch globale Konflikte, den Folgen des Klimawandels, oder den Aufstieg von Autokratien Orientierung. Natürlich gibt es vielfältige Wege, jungen Menschen Werte zu vermitteln. Ein interessanter, wenig beachteter Weg, bildet die Jugendliteratur.

Welche Werte werden jungen Menschen mit der gängigen Jugendliteratur vermittelt? Was lösen die Inhalte bei ihnen aus und wie zahlen sie auf die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen und die Stärkung demokratischer Werte ein?

 

Zentrale Beobachtungen sind:

  1. Orientierungslosigkeit und Unsicherheit: Viele Jugendliche fühlen sich angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen allein gelassen. Familie, Schule und Freundeskreise bieten oft keine stabile Orientierung oder Unterstützung. Dies wird in einer allgemeinen Lethargie, Unsicherheit und resignativen Grundstimmung deutlich.

  2. Emotionale Themen: Die Literatur zeigt eine starke Auseinandersetzung mit Themen wie Schuld, Scham, Gewalt, Tod und Suizid. Negative Erfahrungen werden häufig knapp dargestellt, ohne sie tiefgehend zu reflektieren. Emotionale Abgestumpftheit und narzisstische Empfindlichkeit sind auffällig.

  3. Verlust von Vorbildern: Erwachsene – Eltern oder Lehrer – erscheinen kaum als Orientierungspunkte. Jugendliche sind auf sich selbst gestellt, was sich auch in den narrativen Strukturen widerspiegelt, z. B. in der personalen Erzählweise, die den Lesenden nahe an die Perspektive der Figuren bindet.

  4. Medienkultur: Die Omnipräsenz von Smartphones und sozialen Medien prägt Identität und soziale Interaktion, wird jedoch nur selten kritisch reflektiert.

  5. Gesellschaftliche Desillusionierung: Politische oder soziale Engagements werden selten thematisiert. Zukunftspläne erscheinen unsicher, und Utopien sind brüchig. Statt klaren Visionen dominieren Unsicherheit und ein diffuses Streben nach Zugehörigkeit.

 

Der erschreckendste Befund: der Eindruck einer gewissen, sich überlegen gebenden inneren Orientierungslosigkeit und eines Mangels an Perspektive, der durchaus selbstdestruktive Tendenzen aufweist. All diese Merkmale waren bereits vor der Pandemie tendenziell festzustellen – Covid wirkte allenfalls wie ein Brandbeschleuniger.

Mit moralisierenden Vorhaltungen, Ermahnungen und dem zum Topos geronnenen Verweis auf eine in Aussicht gestellte Digitalisierung ist nichts getan. In dieser Situation geht es um ein konsequentes Umdenken:

Es geht um die Begleitung der sozialen Entwicklung junger Menschen durch eine mentale Grundsicherung, vor allem durch eine massive Ausweitung undogmatischer Formen der Betreuung sowie durch Forderung und Förderung: analog und im Hier und Jetzt. Mentale Grundsicherung heißt für unser Verständnis vor allem, die psychosozialen Koordinaten der jungen Menschen durch geeignete Maßnahmen wieder etwas zu stabilisieren – weniger durch Zwang, sondern auf der Basis umfassender schulischer und außerschulischer Angebote, die zu eigenverantwortlicher Gruppenbildung beitragen.

 

Den ausführlichen Bericht können Sie hier lesen: https://liz-mohn-stiftung.de/news/kids-ohne-kompass/

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